Wiesbaden: „Religion und Identität“ am 7.3.2013 
Was haben Religion und Identität 
miteinander zu tun? Die Religion eines Menschen beinhaltet seine 
Glaubensüberzeugungen und -praktiken, hat aber auch viel mit seiner 
Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft zu tun. Seine Identität bezeichnet sein 
Wesen, seine Selbstheit, sein „ich bin“. Somit bezeichnet seine religiöse 
Identität sein Religiössein, zum einen in individueller, zum anderen in 
kollektiver Hinsicht. Die Religion eines Menschen ist zugleich Teil seiner 
Kultur und weist inhaltlich über sie hinaus in einen transzendenten Bereich. Wie 
auch in anderen Kulturbereichen leben wir heute in der Postmoderne im Bereich 
der Religion viel individueller und damit pluralistischer als in früheren 
Jahrhunderten. Kollektive Selbstverständlichkeiten wichen individuellen 
Wahlmöglichkeiten oder gar Wahlnotwendigkeiten. Die unhinterfragte 
Identifizierung eines Individuums mit seiner Gemeinschaft wich einer 
differenzierten Teilidentifizierung mit der Möglichkeit, aus der Gemeinschaft 
auszutreten und einer anderen oder keiner anderen beizutreten. Das gilt auch für 
Religionsgemeinschaften. Das gilt aber nicht oder noch nicht in allen Kulturen 
der Erde. Konflikte treten auf, wenn im Zuge der modernen Mobilität und 
Migration Menschen individualistischer und kollektivistischer Kulturen in einer 
gemeinsamen Gesellschaft leben. Zugleich fühlen sich viele Menschen von der 
individualistischen Kultur mit ihren Wahl- und Entscheidungszwängen überfordert 
oder gar entwurzelt. Ihre Suche nach der verlorenen Selbstverständlichkeit und 
Geborgenheit in der Gemeinschaft führt zur Konstruktion fundamentalistischer 
Ansichten. Religiös Suchende heute sehen sich einem großen Vielfalt 
traditioneller, liberaler und fundamentalistischer Angebote der Sinndeutung und 
Welterklärung gegenüber und fühlen sich aufgefordert, das zu ihnen passende zu 
suchen und zu wählen oder es sich selbst zu konstruieren. Über all dem schwebt 
die Frage nach der Wahrheit der Religionen, nach den Möglichkeiten der 
Wahrheitserkenntnis und danach, was Wahrheit mit Identität zu tun hat.